Der Geigenbauer von Rebstein
Severin Heeb hat einen Beruf mit Seltenheitsfaktor – er ist Geigenbauer. Nach seiner ersten Lehre als Schreiner hat er sich bewusst für diese Ausbildung entschieden. Mittlerweile kann der 37-jährige, dreifache Familienvater, ziemlich gut davon leben. Ein Werkstattbesuch.
Cécile Alge
Es ist eine schmucke Werkstatt, die Severin Heeb im ehemaligen Ladenlokal der RhV an der Rebsteiner Staatsstrasse 71 eingerichtet hat. Hier, wo früher Elektrogeräte verkauft wurden, stehen jetzt antike Möbel, eine Werkbank und verschiedene Streichinstrumente. Griffbereit auch eine ganze Menge Schraubzwingen, Hobel, Feilen, Sägen, Cutter, Töpfchen, Fläschchen und Pinsel sowie rohe und geformte Hölzer, Bretter, Schablonen und Teile von Geigenkörpern. Man sieht schnell, dass hier ausschliesslich von Hand gearbeitet wird, Maschinen sind keine da. In dieser fast malerischen Werkstattidylle stechen einem das Radio und das in die Jahre gekommene Handy geradezu ins Auge. Hier arbeitet und wirkt Severin Heeb, 37-jährig, Geigenbauer, Ehemann und dreifacher Vater. Er sagt: «Hier fühle ich mich wohl. Ich kann einerseits in Ruhe arbeiten, bin aber trotzdem Mitten im Dorfgeschehen.»
Werkstatt mitten im Dorf
Als er vor sieben Jahren den Weg in die Selbständigkeit wagte, arbeitete er noch von Zuhause aus – mit bescheidenen Mitteln, kleinem Businessplan, Tipps von der Jungunternehmer-Beratung; und das in Teilzeitpensum. «Damals wagte ich irgendwann gar nicht mehr zu sagen, dass ich Geigenbauer bin, wenn mich jemand nach meinem Beruf fragte», erzählt Severin Heeb. Denn als Antwort habe er fast immer die gleiche Antwort, respektive Frage gestellt bekommen. «Ja kann man denn davon leben?» Das habe er doch selber nicht gewusst, sondern sei einfach mal ans Werk gegangen und habe auf Risiko ausprobiert, ob es klappe. «Aber mittlerweile ist es so, dass ich und meine Familie von meinem Beruf leben können», so Heeb. Reich werde er zwar nicht davon, aber er könne ein angenehmes Leben führen und einen leidenschaftlichen Beruf ausüben. «Es fehlt uns an nichts», sagt er. Die Liebe zu seinem Beruf, der Glaube an sich selbst und an sein Können sowie der nötige Ehrgeiz verhalfen ihm dazu, dass er sich über die Region hinaus einen Namen als Geigenbauer machen konnte. Er hat nach und nach an seinem Netzwerk geknüpft und arbeitete von Anfang an mit Musikschulen zusammen, sodass mittlerweile regelmässig Aufträge eingehen. Er repariert defekte Instrumente, baut in Handarbeit auch solche von Grund auf und ist auf Wunsch auch für Spezialanfertigungen zu haben. Dazu gehört etwa ein Kontrabass mit Löwenkopf oder ein 6-Saitiges Cello. «In meiner Branche muss man flexibel sein und manchmal auch Kompromisse eingehen. So gab ich auch schon Instrumentenbau-Kurse oder ich baute mit einem Kunden zusammen dessen Trauminstrument.» Das mache seine Arbeit zusätzlich abwechslungsreich und interessant.
Lebhafter Erzähler
Severin Heeb ist ein lebhafter Erzähler. Man hört ihm gerne zu und staunt, was er alles kann und wie er trotzdem so bescheiden geblieben ist. Denn Geigenbauer wird man nicht einfach so. Heeb, der schon als Kind gerne in der Schreinerwerkstatt seines Grossvaters in Oberriet gewirkt hat, lernte zuerst ebenfalls Schreiner EFZ. Und weil er schon immer ein Flair fürs Zeichnen hatte, hängte er den Besuch des gestalterischen Vorkurses an der Schule für Gestaltung in St.Gallen an die Lehre dran. Er überlegte in jener Zeit, ob er Zeichnungslehrer werden solle, entschied sich dann aber doch für den Geigenbau. «Weil ich in diesem Beruf Gestaltung, Handwerk und die Liebe zum Holz verbinden kann», erklärt er. Er schaffte also die anspruchsvolle Aufnahmeprüfung an die 1944 gegründete und seit 1998 von einer Stiftung getragenen Geigenbauschule in Brienz und verbrachte dort lehrreiche Jahre.
Einen Monat Arbeit
Während Berufskollegen nach der Ausbildung in der ganzen Welt verstreut arbeiten, wollte Severin Heeb nicht ins Ausland. Er jobbte bei zwei Geigenbauern in der Schweiz und um noch etwas dazuzuverdienen nebenbei noch als Schreiner. Mit dem nötigen Rüstzeug im Gepäck wagte er schliesslich 2011 den Sprung in die Selbständigkeit. Dank seiner Professionalität und Gewissenhaftigkeit zählten bald Musiker zu seinen Kunden, die nur auf einem Instrument von Severin Heeb spielen möchten. Sie kommen von Zürich, Appenzell, vom Bündnerland oder vom benachbarten Österreich in seine Werkstatt nach Rebstein. Eine massgeschneiderte Heeb-Geige – sie ist stets im Hohlraum signiert – kostet übrigens zwischen 5000 und 10’000 Franken. «Das Material beläuft sich dabei lediglich auf einige hundert Franken, aber die Arbeit ist das kostspielige daran», erklärt der Geigenbauer. Denn bis zu deren Vollendung sei er mit dem Bau einer Geige rund einen Monat beschäftigt. Heeb bietet aber auch preiswertere Violinen an. Für jene kauft er vorgefertigte Instrumententeile ein, die er dann schneller und daher auch günstiger zusammenbauen kann.
Reise rund um die Welt
«Das Schöne an einem Instrument ist, dass es manchmal mit den Musikern rund um die Welt reist, dass es sehr alt werden kann und dass es seinen Wert behält», sagt Severin Heeb. Streichinstrumente seien ja nicht selten auch Erbstücke, die zum Teil uralt sind und mit denen man auch ein Stück Geschichte weitergebe, respektive bekomme.
Nun baut, flickt oder revidiert der 37-Jährige also jeden Tag Geigen, Bratschen, Celli und Kontrabässe. Aber spielt er denn auch selber ein Streichinstrument? Severin Heeb schmunzelt: «Ich spiele Geige, allerdings meistens nur für mich und oftmals fehlt mir einfach die Zeit dazu. Aber mir bedeutet es viel, wenn andere auf meinen Instrumenten spielen. Und wenn ich an einem Konzert manchmal eines von meinen Instrumenten erkenne, ist das schon ein ganz besonderes, schönes Gefühl.»
Kasten mit Infos:
Geigenbauer/in EFZ:
An der Geigenbauschule in Brienz werden pro Jahr zwei bis drei Lernende aufgenommen. Es ist eine Vollzeitfachschule (man bekommt in den vier Jahren keinen Lehrlingslohn) mit relativ hohen Kosten (4500 Franken pro Jahr, zuzüglich Schulgeldbeitrag des Wohnkantons) und strengem Anforderungsprofil. Es genügt zwar ein Volksschulabschluss, aber man muss selber auf einem Streichinstrument spielen können, manuell geschickt sein, ein räumliches Vorstellungsvermögen sowie ein gutes Gespür für Farben und Formen haben. Gesunde Augen, ein gutes Gehör und viel Geduld für kleinste Arbeiten sind ebenso Voraussetzung für diesen Beruf.



