Interview mit Crimer 2017/2018
„Ich setze extrem viel Liebe und Arbeit in mein Projekt“
Einmal hingehört, bleibt er im Ohr, einmal hingesehen, eingebrannt im Gedächtnis: Crimer ist der neue Stern am Schweizer Musik-Himmel. Der 28-Jährige ist ein waschechter Rheintaler. Er heisst Alexander Frei und ist in Balgach aufgewachsen.
Interview von Cécile Alge
Wie soll ich Sie nennen, Crimer oder Alexander Frei?
Alexander Frei: Nennen Sie mich Crimer, je öfter man das macht, desto normaler wird es.
Also gut, Crimer, Sie haben einen kometenhaften Aufstieg im Schweizer Musik-Geschäft erlebt. Das gelingt nur ganz wenigen Schweizer Musikerinnen und Musiker. Wie fühlen Sie sich?
Crimer: Das fühlt sich wunderprächtig an! Besonders cool finde ich, dass das ganz ohne nervige Castingshows und Schweizer Hitproduzenten geklappt hat. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen für unsere Musiklandschaft, die leider international noch immer belächelt wird.
Dabei hat die Schweizer Musikszene viel Potential, nämlich innovative Musik, die oft vom erfolgreichen Einheitsbrei überschattet wird.
Crimer: Genau. Auch deshalb bin ich überrascht, dass es bei mir so ein riesiges Echo gegeben hat. Ich hätte das mit meiner Musik nicht für möglich gehalten.
Ihr Leben ist daher aber auch anstrengend. Sie sind berufstätig, nehmen Songs auf und treten häufig auf. Haben Sie auch mal ein freies Wochenende, können mal ausschlafen?
Crimer: Ja im Moment bin ich ganz schön busy. Aber lieber so als umgekehrt. Meine ganze Freizeit widme ich Crimer, was auch sehr spannend ist. Ich düse gerne nach dem Schaffen an einen Interviewtermin und liebe es, am Wochenende dann zwei Shows spielen zu dürfen. Das ist ein Riesenprivileg. Aber ja, auf Dauer ist das zu viel, ich brauche definitiv mehr Zeit für mich, das habe ich jetzt auch organisiert.
Wie denn?
Crimer: Ich konnte meinen Job in einer Digitalagentur auf 60 Prozent reduzieren. Ich bin sehr froh, dass das geklappt hat.
Sie sind plötzlich berühmt – wie fühlt sich das an? Spricht man Sie spontan an und bekommen Sie Fanpost, Blumen und Heiratsanträge?
Crimer: Ich glaube vom Berühmt-Sein kann man noch nicht sprechen. Ich werde selten angesprochen und wenn es dann doch mal passiert, dann ist das ganz eine lustige Sache, weil es so ungewohnt ist. Es hält sich alles ganz schön in Grenzen, weil die Leute ja hier auch recht zurückhaltend sind. Aber es gibt immer wieder mal ein Crimer-Zuruf an einer Bushaltestelle. Das reicht auch völlig, denn ich könnte Heiratsanträge gar nicht ertragen, da ich mega schlecht bin im Neinsagen und mit Blumen kann ichs auch gar nicht.
Sie hatten ja schon als Kind musikalisches Talent. Ihre Primarlehrerin erkannte das und beorderte Sie kurzerhand in die Kirchenband. Während Ihrer Kantizeit spielten Sie in einer Band und noch später, während Ihres Studiums in Zürich, fanden Sie zu Ihrem eigenen Musik- und Tanzstil. Sie nennen es Wave-Pop mit einem modernen Twist. Damit treffen Sie offenbar den Nerv der Zeit, obschon es auch der Sound der 80er-Jahre ist.
Crimer: Ja das stimmt und das hat mich auch selbst ganz schön überrascht. Ich bin also nicht der einzige da draussen, der die 80er-Soundästhetik liebt. Ein extrem schönes Zeichen, wenn man sich soundtechnisch nicht verbiegen muss. Ich arbeite mit den Sounds, die mir halt besonders gut gefallen und die klingen nun mal nach 80er. Die Band Hurts aus Manchester hat eigentlich vor ein paar Jahren bewiesen, dass die 80er immer noch super aktuell sein können, leider haben sie den Klängen den Rücken zugekehrt und haben damit auch eine grosse Fanbase verloren, weil sie jetzt wie alles andere klingen.
Von wem lassen Sie sich musikalisch am meisten inspirieren?
Crimer: Von allem was ich gerade höre. Und ich höre halt querbeet durch alle Dekaden Musik. Ich höre The Cure, The Police oder modernere Sachen wie Everything Everything, Parcels und Roosevelt. Alles fliesst irgendwie mit in meine Musik ein. Nur mit ruhiger Musik kann ich nichts anfangen, das hört man auch an meinen Songs.
Dafür mögen Sie die Erotik, das hört und sieht man auch. Sie kokettieren in ihren Fotoshootings oder Videoclips auch gerne mal mit homosexueller Erotik, sind es aber selber nicht. Ist das ein Marketinggag?
Crimer: Auf keinen Fall. Die Erotik ist etwas Wunderbares, egal auf welcher Ebene und zwischen wem. Und gerade auch in Songs. Sie darf also nicht als Marketinggag missbraucht werden. Ich wünsche mir einfach, dass in unserer Welt alles Platz hat, sprich niemand wegen seiner sexuellen Präferenz diskriminiert wird. Wenn ich diese Haltung fördern kann, ist das eine coole Sache. Ich bekam dafür auch schon Lob und Dank von Schwulenorganisationen.
Sie gaben in den letzten Monaten sehr viele Konzerte. Auch an bedeutenden Orten wie auf dem Gurten oder am Open Air St.Gallen. Auch Heimspiele wie Sommer im Park in Heerbrugg gehören dazu. Welches war Ihr bisher schönstes, eindrücklichstes Konzert?
Crimer: Das war schon das Openair St.Gallen. Klar habe ich mit ein paar hundert Leuten gerechnet, aber als es dann plötzlich ein paar tausend waren, war ich völlig baff. Vor allem weil gleichzeitig noch die Band Wanda aus Österreich gespielt hat, die richtig gross ist. Am heftigsten haben mich die Reaktionen des Publikums gepackt, als ich Brotherlove angespielt habe, war das Sittertobel am Kochen. Gänsehaut pur!
Der Funke springt also. Und wie sieht es denn finanziell aus? Verdienen Sie schon gut mit Ihrer Musik oder ist es mehr ein Zustupf?
Crimer: Sobald man an ein paar Orten spielen kann, fliesst auch mehr Geld, das ist klar. Es wird aber oft unterschätzt, dass Crimer auch ganz schön viel kostet. Von Videoclips, Crimer-Socken bis zur Studiosession, da muss man richtig investieren. Aber es ist eine Investition für die Ewigkeit, keiner kann mir die Erinnerungen und Momente, die ich erlebe, nehmen.
Das Musik-Geschäft ist ein heikles Business. Der Erfolg verleiht Flügel. Wer hoch fliegt, kann auch tief fallen. Wie gehen Sie mit dem Erfolg um?
Crimer: So hoch oben bin ich nun auch wieder nicht. Vor allem international gesehen bin ich ja ein mikrokleiner Fisch. (lacht) Ich setze einfach extrem viel Liebe und Arbeit in das Projekt, ich glaube das ist der beste Schutz, um nicht zu fallen.
Die einen rauchen einen Joint, andere machen Yoga – wie fahren Sie nach einem Konzert runter? Wie erholen Sie sich und wie laden Sie Ihre Batterien wieder auf?
Crimer: Ich habe keine Rituale. Nach einem Konzert ist mein Kopf so rot wie ein Radieschen und ich bin völlig durchnässt, am liebsten würde ich mich jeweils kurz zurückziehen und durchschnaufen, aber dann kommt halt die ganze Selfie-Action zum Zug und noch der Merchandise-Verkauf dazu. Aber irgendwie auch lustig, weil die Fotos sind dann immer völlig katastrophal, weil ich aussehe, als ob ich grad meinen ersten Marathon gerannt wäre.
Ihre Familie spielt in Ihrem Leben eine wichtige Rolle. In Interviews erwähnen Sie gerne Kommentare Ihrer Mutter oder betonen die gute Beziehung zu Ihren zwei Brüdern, die auch Thema des Songs „brotherlove“ ist. Und dann ist da auch noch Ihr Vater. Ihn kennt man im Rheintal, es ist Stefan Frei, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Alpha Rheintal Bank. Wie gefällt eigentlich ihm Ihre Musik?
Crimer: Ja, mein Vater ist noch berühmter als ich im Rheintal und das hat er auch verdient. Er ist ein toller Supporter! Er weiss zum Beispiel immer, wie viele Views ich auf meinen Youtube-Videos habe und trägt täglich einen Crimer-Pin an seinem Anzug. Diesen Support spüre ich aber von meiner ganzen Familie und das treibt mich noch stärker an!
Aus dem Rheintal gibt es noch einen bekannten Musiker. Shem Thomas, mit bürgerlichem Namen Thomas Kühnis. Er kommt aus Diepoldsau, Sie aus Balgach. Kennen Sie sich? Treffen Sie sich, tauschen Sie sich vielleicht sogar aus?
Crimer: Ich habe ihn mal getroffen bei einer Ausstellung, wir haben da jeweils beide einen Song für einen gemeinsamen Kumpel gespielt. Aber sonst kennen wir uns nicht. Ich weiss einfach, dass er bei der Castingshow „The Voice of Switzerland“ mitgemacht hat und wie ich bereits angetönt habe, bin ich kein grosser Fan solcher Formate. Sie haben vieles kaputt gemacht.
Wir Rheintaler freuen uns natürlich besonders, dass bei all Ihren Interviews im Radio und Fernsehen Ihr Rheintaler Dialekt zu hören ist. Mögen Sie ihre Rheintaler Wurzeln, identifizieren Sie sich noch mit dem Rheintal? Und wie äussert sich das?
Crimer: Klar verspüre ich eine Verbindung zum Rheintal, ich bin dort aufgewachsen und hatte eine tolle Jugend. Um sich als Künstler zu entfalten, ist es aber ein schwieriger Ort. Für Leute, die an Kunst und Konzerten interessiert sind, gibt es leider nicht sehr viel. Darum hat es mich auch in eine Stadt gezogen. Ich komme aber immer gerne zurück und dabei ist es umso schöner, dass ich auch von vielen Rheintalerinnen und Rheintalern sehr viel Zuspruch erhalte. Ich höre oft, dass sie stolz seien, dass sowas aus dem Rheintal kommt. Es hat also doch mehr Platz für solche Geschichten.
Sie nennen sich Crimer. Und Sie sagen, dass ein Crimer einer ist, der immer etwas schräge Dinger dreht und damit durchkommt. Tun Sie das?
Crimer: Ja klar, das passt super zu mir. Ich meine, ich mache Musik, die hätte auch vor 30 Jahren rauskommen können, die ist eigentlich völlig ausser Mode. Trotzdem funktionierts. Und dann stufen mich noch alle noch als guten Tänzer ein, dabei sieht es viel mehr nach einem Anfall aus. Man muss solche Sachen nur gut verpacken und mit vollstem Selbstvertrauen präsentieren. Mit Überzeugung kommt man mit allem durch. Wie ein echter Crimer halt.
Sie sind jetzt 28-jährig und haben kürzlich gesagt, Sie seien parat für den Erfolg. Wenn Sie eine Prognose wagen: was macht Crimer in fünf Jahren?
Crimer: Ahh das klingt ja nach einem richtigen Bewerbungsgespräch. Ich hoffe, dass ich in den nächsten fünf Jahren musikalisch eine Menge erleben werde. Als erster Schritt steht Deutschland an. Ich bin bereit geografische Grenzen zu sprengen. Meine Musik mach ich nicht für ein Land, sondern für alle die meine Musik anspricht und die mit mir mittanzen wollen. Ich glaube ganz fest daran, dass es noch ein paar Leute da draussen gibt, die mir ihr Gehör leihen. Auch wenn ich von einer versifften Bar in die nächste reise – auch das muss man mal erlebt haben.
Zur Person
Crimer heisst mit bürgerlichem Namen Alexander Frei. Er ist 28-jährig und in Balgach aufgewachsen. Nach der Volksschule besuchte er die Kantonsschule in Heerbrugg und studierte danach BWL und Kommunikationswissenschaften in Zürich. Derzeit arbeitet er Teilzeit in einer Digitalagentur und tritt nebenbei als Crimer auf.